STRAHL . LICHTUNG
"Der Baum setzt Erdanziehung in Aufrichtung um, indem er sich nach oben wachsend an dem Zug nach unten orientiert, um ihn schließlich zu überwinden." Elke Maier
LICHTUNG- Performativer Dialog mit einem Baum
Material: haarfeines weißes Nähgarn (NE 50/3) , ca. 20.000 m
Die Künstlerin Elke Maier ist bekannt für ihre Installationen aus hauchfeinem weißen Garn, mit denen sie ein einzigartiges auratisches Wechselspiel zwischen Licht, Raum und Materie kommuniziert.
In einem performativen Akt verwandelt sie einen Baum im Maschpark in einen offenen, transparenten Raum.
Dabei handelt es sich so nicht um eine punktuelle Intervention, sondern um eine Entwicklung des Werkes von Anfang an in kontinuierlichem Dialog mit dem Baum wie mit dem um den Baum wandernden Sonnenlicht, wobei die Form des Werkes noch die prozessuale Bewegung seiner Entstehung erkennen lässt.
Das Kunstwerk verwandelt sich in intensiver Korrespondenz mit dem Sonnenlicht - in dessen Wirkungen wie auf Einwirkungen antwortend - oszilliert je nach Sonnenstand prozesshaft von sichtbarer zu unsichtbarer Anwesenheit. Durch das Wandern und Wechseln des Lichts - auch durch unsere Bewegung, den Perspektivenwechsel - sind im Tagesverlauf immer wieder andere Partien der Installation erleuchtet oder unsichtbar.
Das Kunstwerk ist nicht verfügbares Objekt, es begegnet von sich her, prozesshaft, scheint "unverfügbar" auf. (Apparition).
"Die Fäden schaffen einen offenen, transparenten Raum, der selbst keine Grenze hat und so innerhalb von Grenzen ein Moment der Unendlichkeit schafft, der bestenfalls als Raum kontemplativen Seins erfahrbar ist."
"Indem wir uns selbst mitten hinein begeben und sich in unserem Blick der Horizont mit jedem Schritt verändert, können wir uns selbst im Übergang erleben als ein Moment innerhalb universeller Bewegungen des Lebens, die - von sehr weit her kommend - auch durch uns selbst hindurch gehen und nun ihren Spuren in uns begegnen."
Johannes Rauchenberger
aus der Ankündigung von Elke Maiers Ausstellung Geflügelte Bäume im Kulturzentrum bei den Minoriten Graz im Jahre 2000
Elke Maier ist eine Künstlerin, die sich selbst und der Natur, die sie bearbeitet, äußerste Konzentration und Langsamkeit abverlangt. Sie arbeitet fast immer im freien, setzt sich der Natur aus, reaktiviert künstlerisch den Ort. Sie misst der Energie und dem Raum, die ihn umgeben ebenso viel Bedeutung bei wie der Energie und dem Raum, die das Material physisch umschließen. Ihre Arbeiten sind zwar äußerst filigran, doch gerade aufgrund ihres durchlässigen Aufbaus und ihrer Elastizität unangreifbar von Wind und Wetter.
Als "Landart"-Künstlerin arbeitet sie "ästhetisch" mit Landschaften. Subtil und gezielt setzt sie ihre Eingriffe. etwa indem sie Bäume verwebt oder Eierschalen auf Felsen klebt...Dabei kann sie eine ästhetische Transformation des gesamten topografischen Kontextes bewirken.
Auch wenn die Vögel am Ende die Eierschalen einverleibt haben, bleibt die "Performance", das tun der Künstlerin von einer immensen Gegenwartskonzentration.
Im Zuge natürlicher Zerfallsprozesse gehen alle Materialien, die sie verwendet wieder in Natur über: im Material selbst ist die Metamorphose als zeitlicher Prozess immanent. So sind zwar die Gebilde an sich vergänglich, die mit ihnen verbundenen Erinnerungen können jedoch unverzüglich als "innere Bilder" bewahrt bleiben.
Elke Maiers künstlerischer Ansatz hat mich in der Konsequenz des von ihr eingeschlagenen Weges sehr beeindruckt. Ihre Entscheidung, in der Natur und mit der Natur zu arbeiten, führt zu Konzentrationsprozessen, die im künstlerischen Produkt überzeugend zum Ausdruck kommen.
Insofern ist ihre künstlerische Artikulation eine gelungene "Gegenwelt" zu einem Lebensgefühl absoluter Beschleunigung, ohne jeden Hauch von Affirmation.
Johannes Rauchenberger, Leiter des Kulturzentrums bei den Minoriten Graz 2000
Wolfgang Denk
EIN ZEN WEG ZUR KUNST
KUNST IST MAGIE, BEFREIT VON DER LÜGE, WAHRHEIT ZU SEIN!
Ein
berühmtes Zitat, welches überraschenderweise gerade von einem so
rationalen Philosophen wie Theodor W. Adorno stammt.
Unsere
Wahrnehmungsgewohnheiten wurden in langen vielfach schmerzhaften
Lernprozessen festgelegt. Von Geburt an sollen wir in einer ganz
bestimmten Weise sehen, hören, Eindrücke auf eine kulturell be- stimmte
Weise wahrnehmen und entsprechend reagieren. Wir sollen in bestimmten
Ordnungen bleiben im Korsett etablierter Ordnungssysteme. Als Kind malte
jede(r), jede(r) formt Figuren, Kinder geben Form.
Jede(r) war als Kind grenzenlos. Später wird gelernt, es werden
Ordnungen übernommen und bestimmte Ordnungen festgesetzt und damit auch Maßeinheiten im weitesten Sinne um die Wirklichkeit
einzuteilen.
Weniger
leicht wahrnehmbar ist, dass das Denken und das Sehen auch geschult
wurde, unser Wahrnehmungsfeld in ähnliche Maßeinheiten zu unterteilen.
Die Schwierigkeit liegt darin, dass zum Beispiel Zentimeter Maßeinheiten
sind, die zwar auf dem Maßband, nicht aber in der Natur in Erscheinung
treten – die Abgrenzung der Dinge in der Natur entspricht aber den
tatsächlich wahrgenommenen Erscheinungsformen. So hebt sich zum Beispiel
scheinbar der menschliche Körper, deutlich von den anderen Dingen
seiner Umgebung ab. Tatsächlich ist es jedoch so, dass die Haut des
Körpers, die Oberfläche eines Körpers nur im Denken nicht aber in der
Natur die Dinge wirklich abtrennt. In der Natur ist etwa die Körperhaut
ein verbindendes Element eine Brücke sozusagen, die den inneren Organen
die Zufuhr von Licht, Wärme und Luft vermittelt.
Solche Wahrnehmungen
scheinen mir die Arbeit Elke Maiers bestimmen.
Elke Maier macht nun
Kunst in der Natur oder sie lässt Natur in der Kunst die große Rolle
spielen! Ihre Kunst ist nun Kunst im Einklang mit der Natur:
"Einbezogenheit"! Sie bezieht sich selbst in die Natur ein und die unendlichen und großartigen Formen der Natur bezieht sie im Gegenzug in ihre Kunst ein.
Die
einzigartige Vielfalt und damit die Lebendigkeit der Natur Europas zu
erhalten wird zur Überlebensaufgabe. Dieser Aufgabe ist auch das inzwischen sehr renommierte "Kunst in der Natur" Symposion auf dem Wachtberg, hoch über dem niederösterreichischen Kamp-Tal,
verschrieben.
Ebendort war Elke Maier eingeladen, eines ihrer hypersensiblen Kunst-
werke,
die Bearbeitung einer gewaltigen Baum-Skulptur zu erarbeiten.
Dazu
schrieb mir die Künstlerin, als sie mich eingeladen hat, einige Worte zu
ihrem neuen Katalogwerk ihrer LandArt-Projekte 1996-2012 beizutragen
:"Wir begegneten uns im Sommer 2001 am Wachtberg.Ich hatte dort
einen, vom Blitz getroffenen, abgestorbenen Baum in feinstes weißes Garn
verwoben .Erinnern Sie sich noch an unser persönliches Gespräch
zwischen Baumkrone und Wurzel?"
Ich nahm bei meiner Rede zum Abschlussfest ihre Arbeit aus feinstem
weißen Garn zum Anlass, Grundgedanken zur Kunst zu konstatieren.
Gerade
bei konzentrierter Aufmerksamkeit – diese braucht man natürlich zur
Sinn suchenden Kunstbetrachtung die ja von den Arbeiten Elke Maiers
intensiv eingefordert wird – fällt es uns leichter, unterschiede
zwischen dem Naturhaften und dem künstlerischen Eintrag festzustellen
als
Gemeinsamkeiten. Die normale visuelle Aufmerksamkeit nimmt die
Dinge als Figuren gegen einen kontrastierenden Hintergrund wahr – und
unser Denken verstärkt diese Tendenz und betont den unterschied zwischen
Figur und Hintergrund. Skulpturale Werke und Installationen in den
WhiteCube Räumen der modernen Galerien und Museen betonen diese
Grenzziehungen konsequent.
Kunst in der Natur, in wahrem Sinne, im Einklang mit der Natur so der
"Verwobene
Baum" Elke Maiers, geht den umgekehrten Weg – Gestalt und Hintergrund
bilden eine unauflösbare Beziehung – eine untrennbare Beziehung von
Einheit und ungeheurer Vielschichtigkeit.
Der Umriss ihrer Arbeit,
der figural komplexe Kontext einer solchen Arbeit als Innriss des
Hintergrundes trennt das Gegensatzpaar voneinander ebenso wie er es
verbindet.
Künstler(innen) wie Elke Maier, die sich auf die Natur
einlassen, arbeiten daran, die Schwierigkeiten – unsere Schwierigkeiten
mit der Untrennbarkeit von Gestalt und Hintergrund – zu überwinden,
Energie, Dynamik und die Untrennbarkeit von Körper und Raum vorstellbar
zu machen.
Über die Werke der Künstlerin möchte ich nichts wirklich Explizites aussagen was ohnehin zu sehen und erlebbar ist, denn gute Kunst hat auch ein Anrecht darauf, dass ihr Geheimnis gewahrt wird.
"Unbewusst erfüllt Elke Maier, die auf dem besten Wege zu sein scheint, eine Zen Meisterin auf dem Skulpturen-Weg zu werden, eine klassische Forderung des großen Jean Arp: "Der Inhalt einer Plastik muss auf Zehenspitzen, ohne Anmaßung auftreten, leicht wie die Spur des Tieres im Schnee".
Prof. Wolfgang Denk 2012 ehem. Direktor Kunsthalle Krems, Leiter Museumszentrum Mistelbach.